Interview mit Holger Jantsch vom Haus Curanum karlsfeld
Schon viel wurdeüber das vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention geförderte Projekt „Pflege 2030" berichtet. Über die technischen Innovationen, die implementiert werden. Über die besondere Personalbemessung, die im Haus Curanum Karlsfeld erprobt wird. Doch was bedeutet es für einen Pflegebetrieb, wenn er zum Modellprojekt wird? Was bedeutet es für die Menschen, die Mitarbeitenden und die Bewohner:innen, wenn in Echtzeit geforscht wird?
Holger Jantsch ist Einrichtungsleiter im Haus Curanum Karlsfeld und vor Ort die erste Ansprechperson für „Pflege 2030". Er weiß, welche Verantwortung er als Einrichtungsleiter für das Gelingen von „Pflege 2030" hat. Dieser stellt er sich mit hoher Motivation, denn er weiß: Pflege 2030 bedeutet Chancen und zwar für die gesamte Pflegebranche. Hier erzählt er aus seiner persönlichen Perspektive, was es bedeutet, Personal für das Modellprojekt zu gewinnen, welche Hürden dabei genommen wurden und wie wichtig die Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist.
Schon viel wurde über das vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention geförderte Projekt „Pflege 2030" berichtet. Über die technischen Innovationen, die implementiert werden. Über die besondere Personalbemessung, die im Haus Curanum erprobt wird.
Doch was bedeutet es für einen Pflegebetrieb, wenn er zum Modellprojekt wird?
Was bedeutet es für die Menschen, die Mitarbeitenden und die Bewohner:innen, wenn in Echtzeit geforscht wird?
In „Pflege 20304 liegt der Fokus auf Digitalisierung und Personal. Was bedeutet das für Sie und Ihre Einrichtung?
Digitale Innovationen ist das eine große Tätigkeitsfeld hier bei uns im Rahmen von „Pflege 2030". Wie kann Digitalisierung die Mitarbeiterrinnen entlasten, inwiefern verschafft es den Bewohner:innen ein angenehmeres Leben? Aber es geht bei Digitalisierung auch darum, Ressourcen zu schaffen bei den Mitarbeiter:innen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das hat auch mit Gesundheitsfürsorge zu tun.
Das andere Thema ist – was in den Altenpflege ein leidiges Thema ist: Die Einrichtung muss mit mehr Personal ausgestattet werden, um eine qualitativ bessere Pflege leisten zu können. Hierfür hat Professor Heinz Rothgang von der Uni Bremen ein Konzept entwickelt, wie das aussehen könnte. Dahinter steckt die Personalbemessung,
kurz PeBeM, welches die Grundlage für die Personalausstattung in den Pflegeheimen in Deutschland in den nächsten Jahren darstellt. Und man hat diese Personalbemessung, nachdem sie vom Bund abgesegnet wurde, auf die Länder verteilt und die soll nun von den Bundesländern umgesetzt werden. Ab 2026 ist sie für alle verbindlich gültig. Das bedeutet erst einmal weniger Pflegefachkräfte, die eine dreijährige Ausbildung haben. Dafür soll es mehr Personal im Bereich der Helfer:innen geben, die eine einjährige Schulung erhalten haben. Das Konzept von Professor Rothgang sieht unter dem Strich tatsächlich mehr Personal vor. Das ist aber auch schwierig, denn diese Menschen müssen ja auch auf dem Arbeitsmarkt gefunden werden.
Welche Herausforderungen sehen Sie bei sich in der Umsetzung der Personalbemessung und der Einstellung von mehr Personal in der Pflege?
Als uns mitgeteilt wurde, dass wir in Karlsfeld bei dem „Projekt 2030" dabei sind, wurde ich informiert, dass wir hier mehr Personal zur Verfügung haben. Das klang anfangs gut. Aber wir haben uns dann mit dem Thema näher beschäftigt. Und da wurde dann deutlich, dass es nicht ein Mehr an Fachkräften bedeutet, sondern ein Mehr an einjährigen Pflegefachhelfer:innen. Und die sind auf dem Arbeitsmarkt sehr schwierig zu finden.
Dafür gibt es viele Gründe, aber vor allem einen gravierenden: Wer einen Hauptschulabschluss hat, der kann die einjährige Ausbildung zur Pflegefachhilfe machen. Wird diese Ausbildung mit Erfolg abgeschlossen, kann dann die dreijährige generalistische Ausbildung absolviert werden. Das ist natürlich für viele ein Anreiz. Und siehe da: Dann fehlen uns die Pflegefachhelfer:innen, weil die Chance auf die generalistische Ausbildung genutzt wird.
In unserem Haus hatten wir im vergangen Jahr 61 bis 62 Vollzeitstellen. Unser Träger, Korian Deutschland, hat dann das PeBeM für uns verhandelt. So wurden dann aus den 62 Vollzeitstellen 68. Aber man muss diese Stellen am Ende auch besetzen können. Wir haben uns weitsichtig im Voraus diese Stellen geschaffen, haben immer wieder Leute eingestellt. Aber uns ist es nicht gelungen, diese einjährigen Pflegeassistenzkräfte einzustellen. Wir hatten tatsächlich das große Glück, dass wir immer Fachkräfte akquirieren konnten. Aber die gewünschte Anzahl der Einjährigen kriegen wir nicht, das ist Realität. Deshalb haben wir uns auf die Gewinnung von Fachkräften konzentriert.
Es ist nicht das Wichtigste, Personal zu gewinnen, sondern dass Mitarbeiter:innen bleiben.
Die Suche nach Fachpersonal ist ein großes Thema
in der Pflege - und auch ein schwieriges. Wie gehen Sie damit um?
Grundsätzlich liegt mir das Thema Fachkraftgewinnung am Herzen. Wenn wir genügend Personal haben, können wir mehr Bewohner:innen aufnehmen. Letztlich haben wir auch eine bessere Qualität, wenn wir keine hohe Fluktuation haben. Das ist uns in den letzten Jahren wirklich gelungen. Dafür machen wir gar nicht mal etwas Besonderes, auch wenn wir immer wieder danach gefragt werden. Es gibt keine Lösung für alles.
Wir haben über die Jahre ein paar Dinge sehr gut hinbekommen. Wir schaffen es, dass alle Azubis nach dem Ende ihrer Ausbildung hier einen Arbeitsvertrag unterschreiben. Wir haben nicht nur ein gutes Tarifsystem, sondern wir haben die Azubis immer sehr engmaschig, mit Empathie und persönlichem Einsatz mit dem Praxisanleiter betreut, so dass sie sich gut aufgehoben gefühlt haben. Dieser Praxisanleiter ist unsere Schnittstelle hin zu den Trägern der theoretischen Ausbildung, den Schulen. Der hat also mit denen eng zusammengearbeitet. Das ist der eine Schlüssel zum Erfolg: Schauen, aufmerksam sein, Azubis gut begleiten, so dass sie dann auch hier bei uns bleiben wollen.
Das klingt so einfach und dennoch haben alle Pflegeträger das selbe Personalproblem. Was machen Sie möglicherweise anders in Ihrem Haus?
Was uns ausmacht, ist, dass wir hier eine relativ flache Hierarchie haben. Dadurch gelingt es uns auch, die Fluktuation im Stammpersonal geringer zu halten als in anderen Einrichtungen.
Wenn mich jemand fragt, was das Wichtigste ist, dann sage ich: Es ist nicht das Wichtigste, Personal zu gewinnen, sondern dass Mitarbeiter:innen bleiben. Wir stellen uns den Fragen wie „Welche Entwicklungs- möglichkeiten habe ich hier intern" oder „Wie gehen wir mit den Mitarbeitenden um". Und DAS unterscheidet uns, glaube ich, von anderen Trägern. Deswegen haben wir auch Kolleginnen, die über Jahre bleiben. Das Thema Fluktuation haben wir nicht.
Für Pflege 2030 wurde ja ganz explizit Personal gesucht, wie sind Sie da vorgegangen?
Als ich sah, dass wir bei Pflege 2030 mitmachen und wir viel mehr Personal brauchen als der gesetzliche Schlüssel es vorsieht, haben wir seriöse Vermittlungs- agenturen eingeschaltet. Aber der Erfolg war bei dem großen Aufwand, den wir betrieben haben, bei Weitem nicht so, wie wir uns das erhofft haben. Die meisten Leute kommen über den regionalen Arbeitsmarkt über unsere Mitarbeiter:innen. Über Empfehlungen, Bekanntschaften.
Da wir die Pflegefachhelfer:innen für „Pflege 2030" nicht bekommen haben, haben wir dann mit der Uni Bremen besprochen, dass wir für das Projekt fertig ausgebildete Fachkräfte einstellen, die wir in die Rolle der Einjährigen schlüpfen lassen. Wirtschaftlich ist das auf lange Sicht nicht umsetzbar, aber für „Pflege 2030" war diese Lösung erst einmal in Ordnung.
Wie wichtig ist der Austausch mit der Uni Bremen gerade mit Blick auf ein gutes Gelingen für Pflege 2030"?
Guter Austausch ist wichtig, das zeichnet unser Proiekt auch. Mit der Uni Bremen und Heinz Rothgang hatten wir von Anfang an jemanden, wo mit viel Augenmaß und auf Augenhöhe kooperiert und kommuniziert und mit Realitätssinn und Pragmatismus gehandelt wird. So können wir zumindest kopfmäßig das Personal für „Pflege 2030", das sind 12 Stellen, abbilden und das ist eine hervorragende Leistung.
Von 61 Mitarbeiter:innen Anfang 2023 zu 72 Mitarbeitenden ab März 2024. Das auf diesem Arbeitsmarkt zu finden, ist die größte Herausforderung, und das ist uns gelungen. Auch wenn wir das nicht in der Form, wie es das Projekt ursprünglich vorsieht, umsetzen konnten. Dennoch haben wir Personal gefunden. Ich habe den Kooperations- partnern von „Pflege 2030" gesagt: „Ihr müsst euch auf uns verlassen und uns machen lassen." Und das ist dann auch geschehen. Das würde natürlich nicht alles so reibungslos gehen, wenn ich kein tolles Team hinter mir hätte. Wir sind hier im Karlsfeld eine eingeschworene Gemeinschaft, das zeichnet uns auch aus. Das bedeutet aber auch: Wir müssen lernen, indem wir die Menschen fördern, fordern, leiten, begleiten, dass wir das Beste aus den Mitarbeitenden machen und ich glaube, das gelingt uns hier ganz gut. Ich muss zugeben: Personal zu akquirieren, kostet viel Energie. Das ist die größte Herausforderung, der größte Knoten. Umso mehr freue ich mich, dass wir a. Erfolg hatten und b. bei so einem tollen Projekt einen Partner wie Heinz Rothgang haben. Die Zusammenarbeit ist auf Augenhöhe und an der Uni Bremen sind Menschen, die auch einen Bezug zur Realität haben.
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